

„Das Mitwirken der Väter ist ausbaufähig“
Familienbildungsstätten Schleswig und Kappeln sind Vorreiter als Anlaufstellen für Familien in allen Lebenslagen /Die scheidende Leiterin Antje Schümann erzählt, was gut läuft – und was nicht
Antje Schümann, die Hauswirtschaftsleiterin, Diplom-Betriebswirtin und systemischer Coach ist, wurde 1996 Leiterin der Familienbildungsstätte Schleswig. Auf ihre Initiative gründete der damalige Kirchenkreis Angeln 2005 die Familienbildungsstätte Kappeln. Träger beider Einrichtungen ist heute der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Schleswig-Flensburg. Inzwischen sind auch vier Familienzentren im Kreisgebiet in ihrer Verantwortung. Vor der Verabschiedung in den Ruhestand berichtet die 64-Jährige über die Hilfe für Familien.
Frau Schümann, wie sind die Angebote der Familienbildungsstätten und der Familienzentren im Landkreis, was sind deren Schwerpunkte?
Allein 2022 haben die beiden Familienbildungsstätten an 18 Orten mit 26 Kursleiterinnen mehr als 200 Delfi-Kurse durchgeführt. Das ist ein Angebot evangelischer Familienbildung für Eltern mit Kindern im ersten Lebensjahr. Wir gehen mit den Kursen in die Fläche. Damit ersparen wir Eltern Fahrwege und stärken den Sozialraum durch Netzwerkarbeit.
Wie steht es um die gesellschaftliche Anerkennung der Familien und deren speziellen Bildungsmöglichkeiten?
DassFamilien die wichtige tragende Säule in unserer Gesellschaft sind, wird langsam aber beständig auch im politischen Handeln erkennbar. So ist der Ausbau der Familienzentren im Kreis Schleswig-Flensburg eine gute Entwicklung. Diese haben übrigens in Schleswig-Holstein Vorbildcharakter. Die 14 Familienzentren im Kreis stehen Familien in allen Lebenslagen als Anlaufstelle bereit. Schwerpunkt aller Familienzentren sind die sogenannten Frühen Hilfen. Das sind Angebote für Eltern ab der Schwangerschaft und Familien mit Kindern bis zu drei Jahren. Daneben hat jeder Sozialraum seine Besonderheiten, die in den Angeboten berücksichtigt werden.
In welcher Weise engagieren sich die regionalen Familienbildungsstätten und die Familienzentren bei der anhaltenden Flüchtlingsbewegung?
Vorweg gesagt – die Trennung der Geflüchteten nach Herkunftsländern empfinde ich als problematisch. Das erinnert mich an eine Richtlinie des Landes, die mit viel Geld hinterlegt war und nur für Angebote für Geflüchtete aus der Ukraine genutzt werden durfte. Das führte in unseren Häusern zu großem Unmut.
Wir stehen an der Seite der Familien. Da spielt weder die Glaubenszugehörigkeit noch das Herkunftsland eine Rolle. Weinende Kinder oder Kinder mit Schlafstörungen sind überall gleich. Herausfordernd ist für unsere Kursleitungen die Sprache. Oft werden die Frauen von Flüchtlingslotsen begleitet oder wir arbeiten mit Dolmetschern.
Auch haben wir Kita-Lotsen ausgebildet, die zwischen den Kulturen vermitteln, um den Kindern und Familien das Ankommen in den Kindertagesstätten zu erleichtern. Ich stelle aber leider fest, dass die Arbeit der Familienzentren chronisch unterfinanziert ist. Für die Familienbildungsstätten des Kirchenkreises kann ich sagen: „Mehr geht immer.“ Unsere Arbeit im Kreis ist nur durch die hohe Zuweisung von Kirchensteuermitteln möglich.
Sie blicken auf fast 30 Jahre Arbeit in der Familienbildung zurück – was hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten in den Familien und an ihren Strukturen verändert?
Als ich vor fast 30 Jahren mit der Arbeit in Schleswig begann, brauchten wir eine Tagesmutter, da unsere jüngste Tochter mit drei Jahren noch keinen Kitaplatz hatte. Auch wurde ich von Männern gefragt, ob ich nicht mit drei Kindern genug Arbeit zu Hause hätte. Inzwischen hat es riesige Fortschritte gegeben in der Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt und beim gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung.
Für ausbaufähig halte ich jedoch die Mitwirkung der Väter an der Care-Arbeit. Auch die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind gefordert, eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten anzubieten. Das Thema Stress begegnet uns immer wieder im Kontakt mit den Familien. Familienleben und Arbeitswelt in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bekommen, ist schwieriger geworden. Hier sind die Familienbildungsstätten und die Familienzentren mit ihrer Fachkompetenz gefragt.
Wohin geht die Entwicklung angesichts des von Ihnen bereits angesprochenen knapper werdenden Geldes?
Familien haben sich immer weiterentwickelt. Im positiven Sinne können wir sie als dynamisch bezeichnen. Daher mache ich mir nicht so große Sorgen. Wir definieren Familie als einen Ort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Das kann in der Nachbarschaft, im Freundeskreis und unter den Generationen sein. Hier entstehen neue Modelle des familiären Miteinanders. So gibt es im Juni im Familienzentrum im Amt Hürup eine Fortbildung zur Generationenlotsin. Wir sind gespannt, was sich daraus entwickeln wird.
(SHZ, Friedhelm Caspari)